Tierwohlpreis

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8. Oktober 2018
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Tierwohlpreis

Tierwohlpreis

Investition in die Zukunft

Wer den neuen Stall des Milchviehbetriebs Schwimmer in Braun bei Sankt Wolfgang betritt, glaubt zunächst nicht, dass er von lauter jungen Kälbern umgeben ist – es fehlt der Geruch nach Kuhmist. Hinter diesem Phänomen steckt ein modernes Lüftungssystem. Die Geruchsneutralität gehört zu dem neuartigen Konzept, für das der Bauernhof von Hans Schwimmer (45) und seiner Frau Anita (39) mit dem Tierwohlpreis des bayerischen Agrarministeriums ausgezeichnet wurde. Daneben zählen ein genau bemessener Lichteinfall sowie eine variable Aufteilung der Boxen zur Ausstattung des neuen Kälberstalls.

 

Dorthin kommen die jungen Rinder, nachdem ihre Mutter sie in der ersten Stunde nach der Geburt abgeleckt hat, um sie zu trocknen und von Keimen zu befreien. In den abgetrennten, keimfreien Boxen haben die Kälber dann zu ihrer Mutter und anderen Tieren keinen Kontakt, um sich nicht mit Keimen zu infizieren. Durch die Einzelhaltung ließe sich besser kontrollieren, wie viel das Kalb trinkt, so Schwimmer. Das sei wichtig, denn junge Rinder müssten in den ersten fünf bis sechs Tagen viel Nahrung aufnehmen, um ihr Immunsystem zu stärken. In dieser Zeit bekomme das Tier aus der Flasche noch die Milch seiner Mutter. Danach werde die Muttermilch für den Betrieb gewonnen.

 

Gesäugt werden mussten auch die beiden kleinen Kälber, die am Tag der Preisverleihung auf die Welt kamen und so den Zeitplan durcheinanderwirbelten. „Wir waren so gut in der Zeit, und dann haben uns die beiden doch noch ins Schwitzen gebracht“, sagt Anita Schwimmer. Sind die Tiere nach etwa sechs Tagen gestärkt, lassen sich die Einzelboxen vergrößern, indem man die mobilen Zwischenwände einfach herauszieht. So können die jungen Tiere in Paaren gehalten werden, um soziale Kompetenzen zu erwerben. „Gemeinsames Fressen ist gut, um zu lernen, mit anderen Rindern zu leben“, erklärt Hans Schwimmer. Das erleichtere den ersten Kontakt mit den älteren Tieren, wenn sie von einem Alter von sechs Wochen an in größeren Gruppen leben. Bis es soweit ist, bleiben sie aber höchstens in Kleingruppen mit bis zu sechs gleichaltrigen Kälbern. „Je nach Alter haben die Rinder ein unterschiedliches Keimspektrum“, so der Landwirt. In den Kleingruppen bekommen die Tiere mehr Futter und werden an der Milchbar gesäugt, einem Behälter, an dem die Kühe ihren Durst löschen können.

 

Um Krankheitserreger von den Rindern fernzuhalten, wurde auch ein spezielles Lüftungssystem installiert: Auf einer Seite im Stall kommt die Luft durch ein Netz ins Innere, wo ein Schlauch, der die Luft wieder aufnimmt, für einen geeigneten Zug sorgt. Durch den vier- bis fünffachen Luftwechsel in der Stunde würden aber nicht nur die Keime reduziert. Neben der Entfernung des Gestanks hat die Lüftung zusätzlich einen kühlenden Nebeneffekt, weshalb die Hitze in diesen Tagen im Stall nicht ankommt. Im Herbst bremst eine verschiebbare Folie den Wind, wodurch die Zugluft abgehalten wird.

 

Besonders ist in Schwimmers Stall auch der Lichteinfall, für den das Dach extra in einer Schräge von zwölf Grad gebaut wurde. Das Sonnenlicht trifft laut Schwimmer nun so ein, dass die Kälber im Sommer im Schatten sind und im Winter ausreichend Wärme bekommen. Darüber hinaus vernichten UV-Strahlen weitere Keime.

 

Auf die Idee, den Stall zu bauen, kam Hans Schwimmer im Winter 2015. Als er in einer Nacht ziemlich lange und bei frostigen Temperaturen bei einer gebärenden Kuh im Stall gewesen sei, habe er seinen Beruf und die Situation in Frage gestellt – die schlechten Arbeitsbedingungen haben ihn frustriert. Bei einem Glas Bier sei er auf das Konzept zur Weiterentwicklung des Tierwohls gekommen. Schwimmer war so begeistert davon gewesen, dass er seiner Frau davon erzählt und sie überzeugt hat, den Tierwohlstall zu bauen.

 

Bei dem Konzept handelt es sich um ein neuartiges amerikanisches System, für das 200 000 Euro investiert wurden – „und es hätte echt schief gehen können“, so Schwimmer. Gerade die Steuerung der Schlauchlüftung habe ihm am Anfang Probleme bereitet, war er doch laut eigener Aussage deutschlandweit der Erste, der es ausprobierte. Noch im Winter 2015/16 begannen die Planungen, an Weihnachten 2017 wurde es schließlich fertig. Die ganze Familie hat dazu beigetragen. „Die Kinder helfen gerne bei den Tieren“, sagt der Landwirt. Neben Johannes (13), Benedikt (9) und Veronika (6), lebt außerdem Schwimmers Mutter Luise (72) mit dem Ehepaar auf dem Hof, auf dem auch sein Onkel, der Zweite Landrat, Jakob Schwimmer (CSU), aufgewachsen ist. Weitere Unterstützung bekommt der Betrieb, der seine Milch vorwiegend an eine Molkerei zur Mozzarella-Produktion liefert, von zwei Angestellten.

 

Das Tierwohl ist dem Landwirte-Ehepaar besonders wichtig, „aber nicht etwa aus einer Ideologie heraus“, so Schwimmer. „Wenn man die Keime reduziert und die Tiere gesund hält, spart das langfristig mehr Geld als irgendwelche Antibiotika“, sagte Schwimmer. „Gesunde Kälber brauchen keinen Arzt und bringen mehr Leistung.“

 

Ganz so viel Freiheit wie die Bauernkinder, die gerade mit ihren Rollern und Kettcars über den Hof düsen, haben die Rinder aber auch in einem Betrieb, der für seine Tierfreundlichkeit ausgezeichnet wurde, nicht. An die frische Luft dürfen die Tiere aber schon. Wenn die Kühe fünf Monate alt und groß genug sind, um ihre Körpertemperatur selbst regulieren zu können, kommen sie in einen Bereich, dem auch ein Auslauf angeschlossen ist. Ab dem elften Lebensmonat leben sie dann im Stall der ausgewachsenen Tiere, für die es einen separaten Laufhof gibt.

 

Ausgezeichnet wurde das Projekt nun mit dem Tierwohlpreis, überreicht von der bayerischen Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU). Je 5 000 Euro wurden an den Schwimmer-Hof sowie den Öko-Schweinemasthalter Kloning aus Oettingen im Landkreis Donau-Ries ausgezahlt. Und was passiert nun mit dem Geld? „Wir werden weiterhin in die Lüftungsanlage investieren, um sie noch zu verbessern“, sagt Schwimmer.

 

Zur Bewerbung habe ihn im vergangenen Jahr die Initiative der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bewogen. Mithilfe von neu formulierten Bauernregeln wollte das Ministerium auf die Probleme nicht-artgerechter Tierhaltung aufmerksam machen. Schwimmer hat sich über die guten Ratschläge aus dem Ministerium ein bisschen geärgert, ganz so, als wüssten die Bauern nicht selbst, wie sie ihre Tiere artgerecht halten können. Mit dem Preis will der Milchviehalter nun zeigen, dass es auch anders geht.

 

Vor allem war das Projekt aber auch eine Investition in die Zukunft. „An dem Stall wird man wohl die nächsten zwanzig Jahre keine größeren Arbeiten verrichten müssen“, sagt er, „das ist dann auch für meinen Nachfolger eine gute Grundlage.“ Auf die Auszeichnung ist er dennoch ziemlich stolz. „Es tut schon gut, wenn man für so ein großes Projekt eine derartige Anerkennung bekommt“, sagt Schwimmer. Mit der Auszeichnung will der Milchviehalter Schwimmer auch etwas bewirken. „Ich möchte andere Landwirte dazu bewegen, ihre Betriebe weiterzuentwickeln, und den Menschen zeigen, dass auch die Landwirtschaft sehr fortschrittlich ist.“